Bremse überholen am Beispiel des V20

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gboelter
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Bremse überholen am Beispiel des V20

Beitrag von gboelter »

Moin, moin!!

Wie vielleicht nicht mehr ganz unbekannt, habe ich mir ja vor zwei Monaten diesen

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13 Jahre alten V20 gekauft, bei dem ich in den letzten acht Wochen all das an Wartungsarbeiten versucht habe nachzuholen, was eigentlich schon der Vorbesitzer haette tun sollen. Nun lebe ich aber seit mittlerweile 3 1/2 Jahren auf den Philippinen und muss mich daher mit einigen landestypischen Besonderheiten abfinden. Dazu gehoert auch, dass ein Filipino zwar 3 x pro Woche sein Auto waschen laesst, aber das Wort "maintenance" ist ihm voellig fremd.

Und ueberhaupt, wieso reparieren? Der laeuft doch noch .... :fahren:

Irgendwie haben sie ja auch recht: Wozu Bremsleuchten? Du siehst doch, denn das Auto vor dir ploetzlich groesser wird, manchmal auch gaaaaanz schnell viiieeeellll groesser ....

Nun konnte ich mich dieser Denkweise leider bis heute nicht so recht anschliessen mit der Foilge, dass ich die letzten 8 Wochen damit verbracht habe, mein neues Auto mal so richtig durchzuchecken.

Und da ich ausser zwei Dutzend verrotteter Schrauben bisher nichts nennenswertes gefunden habe, waren dann diese Woche die Bremsen dran. Ein Job, an dem ich Euch gerne teilhaben lasse moechte.

Fuer die lange Ladezeit wegen der vielen Bilder bitte ich um Nachsicht. Ich habe diese Bilder schon stark verkleinert. Durch anklicken der Bilder gibt es selbiges aber auch in Originalgroesse anzuschauen.

Ok, let's begin with the begin ....

Bild Bild

Der Arbeitsplatz wird vorbereitet, das noetige Werkzeug - samt Spezialwerkzeug - liegt bereit. Das ist uebrigens nicht die familieneigene Salatschuessel, diese Schuessel aus Edelstahl ist fester Bestandteil meiner Werkstatt, weil die ueblichen Teile aus Plastik wegen der vielen Sonne hier nach drei Monaten anfangen zu zerbroeseln..

Hier der Original Mitsubishi Reparatursatz Bild mit dem 'beruehmten' Spezialfett in der roten Plastiktuete.

Wir fangen einfach mal hinten links an: Bild

Das Rad ist runter und die Bremse liegt frei. Zum Glueck machen die Bremsscheiben noch einen sehr guten Eindruck und brauchen nicht erneuert zu werden. Das ist auch guit so, denn Bremsscheiben sind hier sehr teuer.

Dann wolen wir uns mal das Innere der Bremse anschauen, also Sicherungsstift unten loesen - dafuer brauchen wir den 14er Schluessel - und einfach herausziehen.

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Nun ja, so richtig gut sieht der (der Sicherungsstift ist der untere Stift im Bild) Bild ja nicht mehr aus.


Nun wird der Bremssattel hochgeklappt, abgestuetzt Bild

und die Bremsleitung wird abgeschraubt; nicht ohne den Bereich vorher schon mal vom groebsten Dreck befreit zu haben.

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Die Bremsleitung muss ab, weil wir sonst die obere Schraube (den Fuehrungsstift) nicht herausziehen koennen. Ausserdem werden wir spaeter noch froh sein, wenn wir das ganze Teile auf der Werkbank (wahlweise auch dem Kuechentisch) im Schraubstock bearbeiten koennen.

Nachdem die Bremsleitung geloest wurde, kommt das ganze Stueck jetzt also auf die Werkbank zwecks weiterer Behandlung. Vorher jedoch bauchen wir uns noch eine kleines Spezialwerkzeug, damit unbs zwischenzeitlich nicht die teure Bremsfluessigkeit abhanden kommt:

Dazu organisieren wir ins aus der Grabbelkiste ein Stueck Schlauch mit etwa 6 mm Innendurchmesser, verschliessen die eine Seite mit einem entsprechend dicken Spiralbohrer und haben dann das hier:

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und kann damit - bis auf ein paar Tropfen - wunderbar die kostbare Bremsfluessigkeit am Entrinnen hindern. Einfach ueber die abgeschraubte Rohrleistung schieben, Schelle anziehen und dicht!!

Und da haben wir dann auch gleich ein kleines Problemkind auf dem Tisch, denn diese Manschette sieht irgendwie nicht mehr so richtig gut aus und laesst Boeses erahnen:

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Also ab in den Schraubstock damit Bild

und ein "dreifach Hoch" dem, der die Druckluft erfunden hat. Weil es naemlich nahezu unmoeglich ist einen angegammelten Bremskolben ohne Kaltverformung aus seiner Behausung zu locken, machen wir dem Teil einfach Dampf unter'm Hintern, bestehend aus Druckluft und der verbliebenen Bremsfluessigkeit. Und stellt Euch dabei bitte nicht so bloede an, wie ich es getan habe. Ich brauchte wegen der restlichen Bremsfluessigkeit an dieser Stelle naemlich eine zweite Dusche. Die erste mit Bremsfluessigkeit, die zweite im Badezimmer. Also deckt das Teil einfach mit einem Lappen ab, bevor ihr den Abzug der Pistole drueckt, das hilft Wunder und minimiert die Wasserrechnung.

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Wie gesagt, Druckluft wirkt hier Wunder. Also einfach - so vorhanden - eine Druckluftpistole auf den Anschluss fuer die Bremsleitung setzen und 'Feuer frei'! Vorher aber unbedingt mit einem Stueck Holz den Fluchtweg eingrenzen, die Teile koennen naemlich erstanunlich weit fliegen, so sie denn richtig Anlauf nehmen konnten. Und an den Kopf kriegen moechte ich so ein Teil dann doch nicht. Also wie gesagt, ein Stueck Holz und dann pressen. Dann das Holz weg und wieder pressen Jetzt sollte es einen lauten Knall gegeben haben, und der Kolbe ist draussen, was dann etwa so aussieht:

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Und hier ist er nun, der ausgebaute Kolben. Sieht irgendwie nicht mehr so richtig gut aus, oder?

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Ich vermute, in Deutschland waere das Teil sofort in den Muell gewandert, aber hier auf den Philippinen lernt man nach 'ner Weile wieder ein wenig anders zu denken. Also schauen wir uns das Teil doch mal naeher an, wozu eine Reinigung hilfreich waere. Alles was wir dazu brauchen ist Stahlwolle - ich hatte noch welche, die man sonst zum Reinigen von Kupferrohren im Heizungsbau verwendet - ein feines Schmirgelpapier und vielleicht etwas Schleifpaste. Und so sah das Teil dann 10 Minuten spaeter aus:

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Die Aufnahme stammt uebrigens noch aus der Zeit vor der Behandlung mit Polierpaste, danach waren da keine nennenswerten Schleifspuren mehr zu erkennen.

Ich wuerde sagen, Operation gelungen. Das Teil darf wieder eingebaut werden.

Also schauen wir uns jetzt mal den Rest der Bremse an. Zunaechst muss mal der Rest der Staubschutzdichtung raus. Dazu hebeln wir mit einem kleinen Schraubenzieher diesen

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Moechtegern-Sprengring samt dem Rest der Dichtung aus der Nut und haben dann das hier in der Hand: Bild


Jetzt noch den eigentlichen Dichtring rausfummeln Bild und dann heisst es 'Grossreinemachen'! Wobei sich bei mir fuer die Endreinigung der Nut ein abgeschnittener Ohrenreiniger mit Spitzzange recht gut bewaehrt hat.

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Ok, das sollte reichen. Bild Ist nicht perfekt, aber man kann schliesslich aus einer Nutte keine Jungfrau mehr machen.

Jetzt wird die neue Dichtring aus dem Reparatursatz mit dem Spezialfett einbalsamiert Bild und in die gereinigte Nut eingesetzt. Der Dichtring mag uebrigens im ersten Moment um Laengen zu gross wirken, doch das taeuscht, der passt da rein wie die beruehmte "Faust auf Auge"!

So, und wenn das vollbracht, dann darf die neue Staubschutzdichtung Bildwieder auf den Kolben und der Kolben darf wieder zurueck in seine Behausung:

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Dabei das Spezialfett in der Nut nicht vergessen und auch den Kolben damit einschmieren. Ausserdem nicht vergessen, dass Bremsen irgendwie wichtig sind, also spaetestens beim Wiederzusammenbau auf hoechstmoegliche Sauberkeit achten.

Jetzt kommt ein etwas kniffiliger Part, denn jetzt kommt der Spannring wieder an seiner Platz. Dazu den Kolben so weit niederdruecken, bis der untere Rand der Dichtung in der Bohrung verschwindet. Auch hier kommt moeglicherweise der Eindruck auf, das das Teil ja viiieeelll zu gross ist.

Bild Doch das taeuscht nur ....

Einfach mit einem kleinen und moeglichst abgenutzten Schraubenzieher ein wenig nachhelfen. Abgenutzt deshalb, weil man mit einem neuen Schraubebzieher leicht die Staubschutzdichtung beschaedigen oder gar durchstechen koennte. Ein Streichholz waere an dieser Stelle vielleicht eine gute Alternative zum Schraubenzieher.

Nun den Kolben samt Dichtung weiter hineindruecken, bis der Aussenring der Dichtung in der Nut angekommen ist. Wenn das geschehen ist, muss der Spannring - beginnend mit einer Seite - eingesetzt werden. Auch hier hilft wieder unser oller Schraubenzieher oder auch eine Spitzzange.

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Wichtig ist, dass der Spannring in der entspechenden Nut der Staubschutzdichtung sitzt und nicht nur, wie hier auf der der linken Seite, oben auf dem Gummi drauf:

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Ok, das waere geschafft. Jetzt werden die beiden Stifte mit Spezialfett eingeschmiert

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dabei beim Sicherungsstift den Gummi am Ende nicht vergessen einzusetzen.

Und jetzt duerft ihr die Bremse wieder einbauen, aber das schafft ihr jetzt sicherlich alleine. Wichtig ist aber noch zu wissen, dass der Fuehrungsstift wieder eingebaut werden muss, bevor die Bremsleitung angeschlossen wird. Das macht man am besten noch im Schraubstock, zumal man da auch noch mit einem Drehmomentschluessel an die Schraube kommt. Ist die Bremsleitung erst mal dran, dann ist da nix mehr mit Drehmomentschluessel.

Der Fuehrungsstift ist im Kopf mit einem deutlich sichtbarem 'G' gekennzeichnet, der Sicherungsstifft mit einem 'L'. Entsprechend und ebenfalls gut sichtbar sind auch die beiden Loecher im Bremssattel gekennzeichnet, Verwechslungsgefahr sollte hier also kaum bestehen duerfte.

Und hier dann noch ein weiteres Beispiel fuer 'aus alt mach neu'

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Der rechte Kolben sah genau so aus, wie der auf der linken Seite, nur das der Kolben zwischenzeitlich gereinigt wurde. Dann noch ein wenig poliert, und schon sah er aus wie neu ....

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Und ob ihr's glaubt oder nicht, auch diesen beiden Bilder zeigen ein und denselben Kolben

Bild Bild

Also nicht immer gleich ab in den Schrott und neu kaufen ....

So, und jetzt trinke ich das Bier :prost:

Gruss Guenther

Uebrigens, diesen Bericht gibt es auch als PDF zum Download. Bei Interesse bitte hier klicken.
Pajero 2800 Intercooler (V46W), Automatik (V4AW3), vermutlich Bj. 1995, vermutlich 240.000 km.

Ich weiss auch nicht woher der Motorschaden kam, aber am Oel kann es nicht gelegen haben, Oel war da kein's drin!
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