Moin Beda,
Beda hat geschrieben:Unsere Eindruck: Je weniger Erfahrung, desto erbarmungsloser der Umgang.
ich gebe Dir wie fast immer und in fast allem Recht, aber ich bin kein Vielschrauber und wurde Zeit meines Lebens der Mausschieber genannt, denn bis vor drei Jahren hatte ich auch einen sehr erfahrenen Schrauberkollegen mit goldenen Händen, welcher mir alle "Handarbeiten" abnahm.
Beda hat geschrieben:Trotzdem finde ich es nicht falsch, das eigene Gefühl ab und an mal zu kalibrieren.
Meine vollste Zustimmung und eher soll das Gegenteil von lästern der Fall sein:
unbemerkt hat geschrieben:In der Profi-Meisterwerkstatt meines Freundes durfte ich, als Lehrling, neulich wieder einmal Neureifen aufziehen und wuchten um danach die neuen Winterschuhe an einem Peugeot 307 anzubasteln.
Natürlich wurde ich von den Kollegen dort mit meinem eigens mitgebrachten Radkreuz belächelt und auch gleich angesprochen, ob ich denn nicht ihren edlen Drehmomentschlüssel für die Radschrauben verwenden will und klar wollte ich, schon um wieder einmal vergleichen zu können was mein "Gefühl" so macht.
Brav knackte der Schlüssel bei allen Schrauben und bestätigte, daß ich durchschnittlich 10 NM zu fest gearbeitet habe. Das die Jungens dort in der Werkstatt auch einmal mit dem Schlagschrauber Räder festmachen und ich aber meine Radmuttern auch immer wieder mit meinem kleinen Radkreuz einfach auf bekomme muß ich hier jetzt nicht noch einmal extra erwähnen....
Aber eben gerade für uns Seltenschrauber ist es doch besonders wichtig, das Gefühl für ein nötiges Drehmoment zu lernen, um sich nicht auf die passenden Schlüssel verlassen zu müssen und deshalb auch mein nur halb im Scherz gemeinter Tipp an Mario den Ventildeckel mit 1/4 Zoll-Ratsche und zwei Fingern fest zu machen.
In ganz vielen Momenten meiner Schrauberei habe ich keinen Platz für den Drehmomentschlüssel oder keine Angaben zum Drehmoment zur Hand, da hilft nur Gefühl und/oder eben üben und ein Verstehen der Materie.
So habe ich z.B. beim Rasenmäher viele Muttern gegen Selbstsichernde getauscht, weil die Vibrationen (zumal mit ungefedert angeflanschten Dieselmotor) einfach zu groß für diverse Befestigungen sind, da hilft kein fester Ziehen der oft schlechten amerikanischen Schrauben und Blechschrauben bis 6mm Stärke.
Will sagen: Ja, kauft ordentliche Drehmomentschlüssel, aber verwendet sie, außer an Zylinderköpfen etc., vor allem zum üben und lernen, denn im Ernstfall müsst Ihr zwei Schrauben in der Mitte eines "zu weichen" Ventildeckels anziehen ohne einen Anzugswert zu kennen. (Ohne gewechselten Halbmondgummi und/oder Dichtmasse wird dieser (beim 4D56 und 6G72) sowieso auch mit passendem Drehmoment selten wieder dicht.)
Gruß von Kay, welcher sich eines Tages, aber gewiß nicht vor der nächsten überdrehten Schraube, auch noch so einen feinen Gedore für 79,- oder KS-Tool für 89,- zulegt.
PS: Im Normalschraubbetrieb gehen bei mir alle Nüsse bis Größe 14 an den "1/4 Schraubendrehergriff" und damit Schrauben und Muttern rein und raus. Alles bis Schlüsselweite 10 oder 12 kann damit eigentlich schon haltbar angeschraubt werden. Ganz zum Schluss darf dann die kleine Ratsche oben auf dem Drehergriff bei 10ern einen kleinen Ruck (Mario und der Nichtschmied: eher zwei Finger) und bei den 14ern einen größeren kleinen Ruck mit Gefühl und mehr Fingern geben.
Kleine Ratschen dürfen nie mit großer Kraft Schrauben und Muttern öffnen wollen...
PPS: Radmuttern müssen immer und spätestens nach Gewindereinigung leicht und von Hand auf Bolzen gehen, sonst ist schon Gefahr bzw. vorherige Dehnung im Verzug. Mit einem z.B. kleinen Baumarktradkreuz werden erst wechselseitig und am hinteren Ende fassend alle Muttern angezogen, dann einhändig am Kreuz angreifend. Nach Ablassen des Rades ziehe ich in zwei weiteren "Umkreisungen" erst normal beidhändig das Kreuz greifend und dann kraftvoll das Kreuz beidseitig greifend an und komme so auf nachgemessene ca. 130 Nm und damit minimal zu viel. Das Kreuz halbwegs waagerecht aufstecken hilft Hebelwege und Rückenmuskeln bzw. Schmerzen sparen.
Zufrieden bin ich, wenn nach ca. 20 bis 30 Km Fahrstrecke keine bzw. wenige Schrauben nachrücken oder noch einen kleinen Knacks machen. So bekomme ich alljährlich zwei mal alle Radmuttern mit dem gleichen Radkreuz leicht runter und immer von Hand wieder drauf. Verlängerungen am Radkreuz oder darauf zu stehen ist bei mir verboten und immer ein Augenmerk für vorher nicht fachgerechtes Vorgehen und damit wieder Gefahr im Verzug. Meine Gewindebolzen bekommen aller ca. 5 Jahre ein winziges bisschen weißes Fett weg, daß kein Rost auftritt, die Aufpressflächen der Felgen werden jedoch öfter geweißfettet um ein Anbacken der Alus zu verhindern.
Bitte verzeiht mir, wie so oft, die längere Ausführung.