Überraschung? Abgas-Skandal nicht nur bei VW
Verfasst: 07.10.2015 - 09:50
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Diagnoseexperten werden immer wieder mit Abgas-„Anomalien“ konfrontiert
06.10.15 | Autor: Steffen Dominsky
Im Zuge eines realistischen Road-Tests verglich FCD das Abgasverhalten aktueller Fahrzeuge untereinander sowie im Gegenzug mit einem älteren Modell.
Seit vielen Jahren untersuchen die Diagnoseexperten von FCD Fahrzeuge, die ihre Besitzer – oder auch Werkstätten – mit besonders hartnäckigen Störungen an den Rand der Verzweiflung bringen. Viele Zehntausend Messungen mithilfe von Speicheroszilloskopen, aber auch mit klassischen Diagnose- sowie Abgastestern hat das Team um Firmenchef Libor Fleischhans bereits durchgeführt und so auch kniffligste Reparaturfälle gelöst. Hierbei, aber auch im Rahmen dezidierter Abgasuntersuchungen, hat FCD immer wieder „Anomalien“ beobachtet. Dinge, die so gar nicht sein dürften. Dinge, die aktuelle Abgasgesetze eigentlich verbieten. Genauer gesagt: Einen zum Teil völlig überzogenen Stickoxidausstoß bei modernen Diesel-Pkw.
„Dieser ist besonders dann sehr hoch, wenn wir sparsam fahren, oder wenn wir die Leistung des Motors fordern“, erklärt Fleischhans. Anders ausgedrückt: „Genau dann, wenn der Motor den eigentlich optimalen Wirkungsgrad erreicht, ist der NOx-Ausstoß am höchsten“, so der Experte. Mit diesem Handicap haben alle Fahrzeughersteller zu kämpfen. Im Prinzip bleibt ihnen nur die Möglichkeit, entweder den Verbrauch zu erhöhen oder die Leistung zu reduzieren. Alternativ müssen sie in ein teures SCR-System mit entsprechend großem Harnstoff-Vorrat („Ad-Blue“) investieren. Denn anders als bei Lkw ist in einem Pkw für einen ausreichend großen Tank kein Platz vorhanden. So müssen die Ad-Blue-Tanks bei Pkw aus Sicht des Autofahrers zu klein ausfallen. Schließlich muss er sich in der Regel selbst um die Betankung zwischen den Serviceintervallen kümmern.
Abgasrückführung über Stunden hinweg deaktiviert
„Da war zum Beispiel jener Ford Mondeo 1,8 TDCi, Baujahr 2010 (Motorcode QUYBA), den wir als einjährigen jungen Gebrauchten untersuchten“, erinnert sich Fleischhans. Das Kölner Modell schaltete „einfach so“ seine Abgasrückführung manchmal über mehrere Stunden hinweg ab. FCD hatte das Fahrzeug mit einem Datenlogger ausgestattet und so über eine ganze Woche relevante Daten im Fahrbetrieb gesammelt.
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Ein „alter“ Skoda Octavia (Euro-4-Norm) mit mehr als 200.000 Kilometern Laufleistung diente als Vergleichsmuster. Sämtliche neuen Modelle entsprachen der Euro-6-Homologation... ...und wurden unter realistischen Fahrbedingungen geprüft.
Dabei stellten die tschechischen Fachleute fest, dass das AGR-Ventil mal aktiv und mal nicht aktiv war. Der Kommentar des Herstellers: Wenn kein Fehler im Fehlerspeicher abgelegt ist – und das war er auch nicht, dann befindet sich die Motorsteuerung im Sollzustand. Eine Reklamation wurde deshalb abgelehnt. „Eine Abgasrückführung, die als wesentlicher Bestandteil zur Minimierung von Abgasen dient, einfach abschalten? Eine Tatsache, die im Rahmen eines offiziellen Abgastests undenkbar wäre“, kommentiert Fleischhans das Phänomen.
Ford Mondeo 1,8 TDCi: Die Strecke „B“ zeigt das Abschalten der Abgasrückführung, die auch nach mehreren Zündungen „An“-„Aus“ (1C, 2C) hintereinander fortbestand (A = System aktiv). Es wurde kein Fehler im Speicher abgelegt. Erst nach mehreren Minuten Standzeit war das System wieder aktiv (Foto: FCD)
Oder jener Peugeot 308 mit SCR-Kat, der im Zuge eines Abgastests eine ganz andere „Ad-Blue-Frequenz“ offenbarte als auf der Straße. Mehrmals hatte das FCD-Team den Franzosen auf dem Rollenprüfstand und im Straßenbetrieb getestet. Dabei fiel auf, dass das Fahrzeug die für die Funktion des SCR-Systems notwendige Entlüftung mit absoluter Präzision stets fünfzehn Sekunden nach Motorstart durchführte und sie zudem noch drei Mal wiederholte, sobald es „erkannte“, unter Laborbedingungen zu laufen. Im Straßenbetrieb unter gleichen Außentemperaturen geschah dieses Entlüften erst nach circa 400 Sekunden. Erst dann war das System betriebsbereit. Erst dann konnten die Stickoxide überhaupt bekämpft werden. Die Folge: Der Wagen stößt so deutlich mehr der toxischen Gase auf der Straße aus als auf dem Prüfstand.
Erkannte die Software des Peugeot einen Prüfstandslauf, so entlüftete sie das SCR-System regelmäßig alle 15 Sekunden vom Start weg (obere Grafik). Im Straßenbetrieb hingegen steuerte sie das System erst nach rund sechs Minuten an (untere Grafik) (Foto: FCD)
Im Rahmen einer internen Untersuchung hat FCD zusammen mit der tschechischen Fachzeitschrift „Svet Motoru“ einen direkten Vergleichstest zwischen verschiedenen Modellen in Sachen Abgas durchgeführt. Dazu nahmen die beiden Partner folgende Fahrzeuge unter die Lupe: einen BMW 216d, einen Nissan X-Trail (Direkteinspritzer Benziner), einen Subaru Forester 4x4 Diesel und einen Citroën DS 5 Diesel. Diese nach Euro 6 homologierten Fahrzeuge überprüfen sie im Vergleich zu einem alten Skoda Octavia (Euro-4-Norm, noch ohne DPF) auf ihren NO-Ausstoß (nicht NOx!) hin.
Im Rahmen des Tests ging es nicht darum, darzulegen, wie groß die Differenzen in Sachen Schadstoffausstoß zwischen Straßen- und Prüfstandsbetrieb ausfallen – was schon mehrfach bewiesen wurde. Vielmehr wollten die Experten zeigen, wie groß die Unterschiede bei den NO-Emissionen zwischen einzelnen Modellen ausfallen und vor allem, wie diese absolut zu bewerten sind – im Hinblick auf den technologischen Fortschritt. Denn der scheint, so das Ergebnis von FCD und Svet Motoru, buchstäblich auf der Strecke geblieben zu sein. Das mehr als ernüchternde Ergebnis des Versuchs: Ein nagelneuer Subaru produziert beinah doppelt so hohe NO-Werte wie ein alter Skoda Octavia mit 227.000 Kilometern auf dem Buckel.
Deutlich erkennbar: Der Subaru (Euro-6-Norm) hat unter identischen Bedingungen einen deutlich höheren NO-Ausstoß als ein alter Skoda Octavia (Euro-4-Norm) mit 227.000 Kilometern Laufleistung (Foto: FCD)
Prüfstandswerte zu Lasten der Realemissionen um jeden Preis
Diese Beispiele stellen laut FCD nur eine kleine Auswahl dar. Sie stehen stellvertretend dafür, dass die Motorsteuerung neuerer Fahrzeuge im Straßenbetrieb anders arbeitet als man erwarten würde und natürlich anders als auf dem Prüfstand. „Man darf hier nicht gleich Betrug unterstellen, wie es im Fall Volkswagen offensichtlich der Fall war“, fasst Libor Fleischhans die Ergebnisse diverser Tests und Diagnosen zusammen.
Die Hersteller richten ihre Technik gezielt auf die geltenden Zulassungsvorschriften aus. Einer wie man schon lange weiß schlechten und völlig veralteten Prüfmethodik. Im Zuge dieser „spitzen“ Ausrichtung nehmen sie allerdings in Kauf, dass sich die Abgasemissionen außerhalb von Klimakammer und Rollenprüfstand signifikant verschlechtern – also zum Beispiel im täglichen Betrieb auf der Straße.
Das sei nicht wirklich Betrug, wohl aber bewusstes Ignorieren, sagt Fleischhans. Andererseits schränkt er ein: „Wie kann es sich die Software bei besagtem Ford Mondeo erlauben, die Abgasrückführung einfach abzuschalten, ohne einen Fehler zu setzen?“ Ebenso berechtigt ist die Grundsatzfrage, die auch schon andere Fachleute gestellt haben: „Wieso emittiert ein nagelneuer Subaru auf der Straße doppelt so hohe NO-Durchschnittswerte (volumenmäßig), wie ein um zwei Abgasgenerationen älterer Skoda?
Ebenso ein Unding und das seit gut 30 Jahren: Noch heute dürfen Fahrzeughersteller im Zuge des „Bauteileschutz“-Paragraphen die Kat-Regelung bei Volllast kurzerhand außer Kraft setzen. „Da laufen moderne Euro-5- und 6-Modelle bei entsprechender Last mit CO-Werten von 9 und 10 Prozent wie einst ein Käfer mit seiner Sechziger-Jahre-Technik“, legt der FCD-Mann erneut den Finger in die Wunde.
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