Abgaskontrolle: AU Backe!

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Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von Beda »

Morgen zusammen,

etwas Lesestoff:
Abgaskontrolle: AU Backe!
Eine 666-Millionen-Abzocke nennen sie die Grünen. „Weshalb hat man bei der
AU nichts festgestellt?“, fragen Autofahrer beim Stichwort „Abgasskandal“.
Verständlich, denn die Abgasuntersuchung verkommt seit Jahren immer mehr
zur Farce. Ob Politik und Autoindustrie zulassen, dass sich jetzt endlich etwas
ändert?

04.08.16 | Autor: Steffen Dominsky

Stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Jeden Tag aufs Neue steht jemand vor Ihrer Werkstatt- bzw.
Bürotür und gibt ihnen gut gemeinte Ratschläge. Sagt Ihnen, was Sie machen bzw. besser lassen sollten.
Eine absurde Vorstellung? Das würden Sie auf gar keinen Fall zulassen? Tja, dann fragt man sich, weshalb
es unsere geneigten Volksvertreter tun. Tag für Tag lassen sie sich von hoch dotierten Lobbyisten ihr
Handwerkszeug erklären.
Acht Mann arbeiteten 2014 für BMW als Lobbyisten bei der EU. 14 waren es im Auftrag von Daimler. Und
Volkswagen? Stolze 43 Mann hatte der Konzern allein in Brüssel stationiert (rund 100 weltweit), um
Politikern Ratschläge zu geben, damit diese möglichst die Gesetze und Vorschriften verwirklichen, die für die
Wolfsburger ein Maximum an Dividende zur Folge haben. Nebenbei: Ob hier ein direkter Zusammenhang
zwischen Anzahl der Lobbyisten und der Rechtsauffassung von Abgasvorschriften besteht? Wer weiß?
Gespielter Witz
Wie dem auch sei: Der massiven politischen Macht der Automobilkonzerne auch hierzulande ist es zu
verdanken, dass in Sachen wirksame Kontrolle von Kraftfahrzeugabgasen seit 1.1.2008 langsam, aber
sicher der Vorhang fällt. Denn seit Einführung des zweistufigen Messverfahrens verkommt die AU für alle
Fahrzeuge mit Erstzulassung 1.1.2006 und später immer mehr zum gespielten Witz.
Dank dieses Verfahrens wird mittlerweile nicht mal mehr an jedem zehnten Fahrzeug wirklich am Auspuff
etwas gemessen. Und ist es dann auch noch ein moderner Diesel, misst man dank „hochmoderner“
Opazimeter-Messtechnik aus den Siebzigern in der Regel sowieso nichts. Liegt die Messauflösung dieser
Geräte bei k=0,5, bestenfalls 0,3, produzieren aktuelle Selbstzünder gerade mal noch einen k-Wert von 0,1.
Und zur mangelhaften Auflösung der Dieseltester kommt noch die Eichtoleranz von k=0,3 on top.

Zeitgemäße Messtechnik fehlt
So verwundert es auch nicht, dass mit dem Aufkommen des Dieselpartikelfilters (DPF) der Ruf nach
zeitgemäßer Messtechnik Ende der Nullerjahre immer lauter wurde. Denn schnell erkannte man: Gegenüber
manipulierten bzw. gar komplett entfernten DPFs war die AU völlig blind. Ergo rief man nach einer
Messtechnik, die erstens präzise misst und zweitens einen gravierenden Geburtsfehler der Diesel-AU ein für
alle mal beseitigten sollte: So wollte man endlich auch im Feld das messen, was bei der Typzulassung der
Fahrzeuge gemessen wird – die Partikelmasse und keinen Rauch.
2010 stellten die Unternehmen AVL-Ditest, Bosch, Hella-Gutmann und Saxon-Junkalor ihre Lösungen für
das Problem vor (siehe Ausgabe 36/2010). Die sogenannten Opazimeter der zweiten Generation maßen
sehr präzise die Partikelmasse. Dank dieser Geräte war und ist es endlich möglich, die Abgasqualität
moderner Dieselmotoren festzustellen. Einzige Hürde: Ein geeignetes Eichverfahren stand damals noch aus
und damit die offizielle Zulassung der Geräte für den AU-Einsatz. Das werde sich bis 2011, spätestens 2012
ändern, orakelten die Verantwortlichen seiner Zeit – sie sollten sich täuschen. Bis heute konnte sich die
staatliche Genehmigungsbehörde PTB zusammen mit den Eichbehörden nicht auf ein adäquates Eich-
Prüfverfahren im Feld einigen – oder durfte es nicht.
„Na gut, dann besser eine elektronisch AU als gar keine“, würde der Optimist sagen. Doch der Haken an der
Sache fängt schon bei der gesetzlich erlaubten Auslöseschwelle an. Denn während bei der
Typgenehmigung eine Null-Toleranz-Schwelle gilt, darf die OBD im Fahrzeug selbst eine extreme
Überschreitung der Grenzwerte einfach unter den Tisch kehren. Während bei der Zulassung ein Grenzwert
von 5 mg/km einzuhalten ist, muss die OBD erst bei einer ausgestoßenen Partikelmasse von 50 mg/km oder
mehr Alarm schlagen. Sie darf also knapp das Zehnfache des Erlaubten an Abgasen tolerieren – sauber!
Die Problematik OBD und auch Messgrößen bzw. Grenzwerte bei der AU trifft dabei keineswegs nur auf
Dieselfahrzeuge zu: So kam der TÜV Nord im Rahmen einer Qualitätsprüfung von Austauschkatalysatoren
für Benzinfahrzeuge im vergangenen Jahr zu dem ernüchternden Ergebnis, dass die Katalysatoren, die
bereits im Neuzustand die Grenzwerte überschritten hatten, bei einer AU nicht aufgefallen wären. Und auch
die OBD in Form der Motorkontrolllampe schlug bei den „Mogel-Kats“ keineswegs Alarm.

Ist die OBD eine „frei manipulierbare Größe“?
Warum, dürfte jedem halbwegs Kfz-Gebildeten klar sein: Die
Elektronik moderner Fahrzeuge spuckt nur das aus, was ihr
erlaubt wird auszuspucken. Das offenbarte der aktuelle, von
VW ausgelöste Abgasskandal sehr anschaulich. Bis um das
Vierzigfache überschritten die Modelle der Wolfsburger die US-
Grenzwerte im Fall NOx, bis um das Zehnfache zahlreiche
Hersteller die der Euro-Normen. Und die OBD? Sie schwieg –
was sollte sie als frei manipulierbare Größe auch sonst tun?
Solange die Abgase nicht in einer Form kontrolliert und
dokumentiert werden, die der Fahrzeughersteller nicht beeinflussen kann, sind die OBD und OBD-AU nicht
mehr als ein Feigenblatt für das öffentliche Umweltgewissen.
Im Rahmen der Studie „Emission Check 2020“ wurden bei ausschließlicher OBD-Prüfung an lediglich 1,9
Prozent der so untersuchten Fahrzeuge Mängel festgestellt. Bei Anwendung des heutigen zweistufigen
Verfahrens stieg die Quote auf 2,4 Prozent. Hingegen werden bei der zusätzlichen Endrohrmessung sogar
7,1 Prozent auffällige Fahrzeuge erkannt. „Dies bedeutet für Deutschland, dass bei dem bestehenden
Prüfverfahren circa eine Million Pkws mit abgasrelevanten Mängeln nicht identifiziert und repariert werden
und damit unnötig die Umwelt mit gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belasten“, stellt der Verband der
TÜVs, VdTÜV, im Rahmen besagter Studie ernüchternd fest.

Bis heute keine Konsequenzen

Auch diverse andere nationale und europäische Studien haben genau das in der Vergangenheit wiederholt
belegt. Die Konsequenz der deutschen Politik daraus: bis heute keine. „Die Tür beim zuständigen
Bundesverkehrsministerium ist wie eine Wand aus Stein“, brachte es kürzlich ein mit der Thematik befasster
Experte auf den Punkt. „Stellen Sie sich mal nicht so an, die paar Partikel!“ bekam ein anderer von
ministerialer Seite noch kurz vor dem Abgasskandal zu hören, als es darum ging, die AU wieder mehr zu
einer echten Messung zu machen.
Doch wie so oft haben schlechte Ereignisse auch ihr Gutes. So haben die Verursacher des Abgasskandals
den Endrohr-Beführwortern quasi einen Bärendienst erwiesen. Denn während die vom Lobbyismus der
Autobauer geschwängerte Politikluft in Berlin die Wiedereinführung einer generellen Endrohrmessung seit
Jahren verweigert, dürften ihr dank des Skandals einige Argumente dafür nun abhanden gekommen sein.
So dient die AU zwar nicht dazu, Grenzwerte der Typgenehmigung bzw. Fehler dieser zu verifizieren. Wohl
aber ist es ihre Aufgabe, sogenannte „Gross-Polluter“ – auf gut Deutsch „Dreckschleudern“ – zu entlarven.
Aber genau das ist ihr mit den gegenwärtigen Messmethoden und Grenzwerten offenbar nur eingeschränkt
möglich. „Nicht umsonst wollen Holland und hat Tschechien bereits seine periodische Abgasüberwachung
reformiert, messen beide Länder bei Dieselfahrzeugen wieder generell am Endrohr“, weiß Harald Hahn,
Vizepräsident des Verbands der Werkstattausrüster, ASA, zu berichten.
Entsprechend fällt auch die Reaktion des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) aus, der
seine Konsequenz gezogen und sie in Form eines Positionspapiers kürzlich veröffentlicht hat. So sieht der
ZDK berechtigte Chancen, dass die AU wieder mehr zu dem wird, was die Abgasmessung für
Heizungsanlagen nach wie vor ist: eine echte Messung. In Sachen Gebäudetechnik lässt der Staat
schließlich auch nicht zu, dass diese sich selbst überwacht, frei nach dem Motto „Die Elektronik wird’s schon
irgendwie richten.“
http://files.vogel.de/vogelonline/pdfar ... 544478.pdf" onclick="window.open(this.href);return false;
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von Beda »

Hallo zusammen,
dieser Artikel ist aus dem Dezember:
https://www.kfz-betrieb.vogel.de hat geschrieben:Abgasuntersuchung: Abgasangriff
Ab 1. Januar wird scharf geschossen: Kfz-Betriebe und Überwachungsorganisationen dürfen dann bei der AU beim Gros der Fahrzeuge nicht mehr der OBD vertrauen, sondern müssen Schadstoffe wieder tatsächlich messen. Damit und mithilfe verschärfter Grenzwerte und neuer Testmethoden soll die Untersuchung wieder zur echten Überprüfung werden – doch dieser Sieg gegenüber Lobbyisten und Autoindustrie hat seinen Preis.

21.12.17 | Autor: Steffen Dominsky

Nicht nur Staaten bzw. Militärs tarnen und täuschen, spähen Freund und Feind aus und versuchen, an relevante Informationen zu kommen. Genauso betreiben Industrieunternehmen einerseits Spionage und täuschen andererseits den Gegner – leider nicht immer nur den. Auch die Öffentlichkeit wird gerne hinters Licht geführt. So vermittelt die im Volksmund nach wie vor Abgasuntersuchung (AU) genannte Prüfung – seit 2010 als integrierter Bestandteil der Hauptuntersuchung (HU) offiziell UMA genannt (Untersuchung Motormanagement und Abgasreinigungssystem) – der deutschen Bevölkerung: Ich messe bei Fahrzeugen zuverlässig den Schadstoffausstoß und entlarve abgastechnische Rohrkrepierer („Gross Polluter“). Doch genau das ist ein eklatanter Trugschluss: „Bei weniger als zehn Prozent moderner Fahrzeuge wird aktuell noch am Endrohr gemessen“, weiß der Verband der TÜVs (VDTÜV). Dabei machen die mehr als drei Viertel aller Untersuchungen aus.

Jeder der beteiligten Akteure, vom Fahrzeughersteller über das Kfz-Gewerbe bis hin zum Automobilclub und Umweltverband, weiß: Mit dem 1.12.2008, sprich mit der Einführung des zweistufigen Messverfahrens (gilt für Fahrzeuge ab Erstzulassung 1.1.2006), verpasste man der AU einen „Tarnanstrich“. Mithilfe der On-Bord-Diagnose (OBD) sollte die neue „elektronische AU“ so gut sein wie die alte – nur einfacher und billiger. Leider hatte bereits die „mechanische AU“ ihre Mängel, und schon 2010 wurde bekannt: Von genauso gut konnte beim zweistufigen Verfahren keine Rede sein – es war deutlich schlechter. Immer weniger Fahrzeuge fielen bei der AU durch, obwohl das Potenzial der Gross Polluter gleich groß blieb, wie diverse unabhängige Studien ergaben. Dafür sorgten neben einer wachsenden Zahl minderwertiger Austausch-Katalysatoren und -Dieselpartikelfilter (siehe Ausgabe 37/2017) vor allem die Manipulation Letzterer, aber auch das wachsende Fahrzeugdurchschnittsalter.


AU: Zeitlicher Ablauf

Stufe 1: Wiedereinführung der obligatorischen Endrohrmessung (Funktionsprüfung Abgas) an allen Kraftfahrzeugen (Otto, Diesel) ab dem 1.1.2018
Stufe 2: Anpassung der Abgasgrenzwerte für die Trübungsmessung beziehungsweise für die CO-Messung (Grenzwertverschärfung) an allen Kraftfahrzeugen (Otto, Diesel) mit der Emissionsklasse Euro 6/Euro VI ab dem 1.1.2019
Stufe 3: Einführung eines Verfahrens zur Messung der Partikelanzahl an allen Dieselfahrzeugen (Partikelanzahlmessung) ab dem 1.1.2021 *

Richtig deutlich machte die Unzulänglichkeit der bestehenden AU – und das ist wohl der Grund für eine generelle Endrohrmessung – die Betrugsschlacht, die Volkswagen im Zuge des Dieselskandals krachend verlor. Keines der von den Wolfsburgern oder von anderen Herstellern manipulierte Motor- und Abgasmanagements fiel bei der AU in irgendeiner Form negativ auf. Kein Wunder, schließlich hatten die Hersteller die OBD gleich mit manipuliert. Zudem steckt die OBD von Haus aus voller Mängel. So muss die bekannte Warnlampe zum Teil erst beim zehnfachen Überschreiten von Grenzwerten angehen – was für ein Irrsinn! Auch ist die MIL (Male Indikation Light = Fehleridentifikationsleuchte) zahlreichen Störungen und Defekten gegenüber völlig blind. Das gilt sowohl für elektronische und mechanische Schäden am Abgassystem als auch für Manipulationen, z. B. das Ausräumen von DPFs.

Selbst der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) gesteht mittlerweile ein: „Bei Fahrzeugen, bei denen der Partikelfilter nicht intakt ist, kann die Endrohrmessung dazu beitragen, Probleme zu identifizieren und zu beheben.“ Gleichwohl betont der VDA, dass „eine Endrohrmessung die in den letzten Monaten diskutierte Problematik erhöhter Stickoxidwerte weder feststellen noch verhindern hätte können“, womit er Recht hat – leider. Denn wie jeder weiß, wird beim Diesel lediglich der Ruß gemessen, der im Abgas enthalten ist bzw. sich in der Abgasanlage angesammelt hat. Die Messung von Schadstoffen wie NOX durch die AU: Fehlanzeige! Das ist übrigens auch die Begründung der Autobauer dafür, dass ihre OBD keine Stickoxide überwacht: „Die werden im Feld (also bei der AU) eh nicht gemessen, weshalb sollen wir sie dann erfassen?“, argumentieren die Hersteller.

Partikelmessverfahren nötig

Vor diesem Hintergrund verwundert dann doch die dritte Stufe der AU-Rakete, die mit dem neuen AU-Leitfaden 5.01 (siehe Ausgabe 45/2017) startet, und die das Bundesverkehrsministerium ab 2021 zünden möchte (siehe Kasten S. 30). Ab dann sollen im Rahmen der AU nämlich die (Ruß-)Partikel gemessen werden. Und zwar nicht, wie um 2010 herum schon einmal angedacht, deren Masse, sondern deren Anzahl (Partikelzählverfahren). Der Unterschied: Es kommt nicht auf die absolute Menge (Masse) an, sondern auf die Größe der Partikel. Viele kleine sind für den Menschen deutlich schädlicher als die gleiche Masse weniger großer. Denn speziell die Kleinstpartikel – „Nanopartikel“ mit einer Größe von 0,01 bis 0,1µm – sind lungengängig, gelangen direkt in die Blutbahn und schädigen bzw. töten Körperzellen.

Leider kann die bestehende Opazimetermesstechnik solch kleine Partikel nicht erfassen. Sie ist ihnen gegenüber blind wie ein Maulwurf. Deshalb muss eine neue Messtechnik her. * Was diese, also ein Partikelzählgerät, kostet? „Wissen wir noch nicht“, sagen Stand heute die Anbieter von AU-Geräten. „Größenordnung in etwa die der bekannten Opazimeter“, munkelt man. Dennoch ist dies eine Weiterentwicklung der AU in die richtige Richtung. Denn so ein Partikelzählverfahren würde sich auch bei modernen Benzinern anwenden lassen, die, wie wir erst kürzlich lernen durften, auch oder zum Teil sogar ein größeres Partikelproblem haben als Dieselfahrzeuge.

Keine Rede von NOx

Doch merken Sie was? Genau: Irgendwie drängt sich die Frage auf „Weshalb eine Partikel-, aber keine NOX-Messung?“ Schließlich sind die Stickoxide nicht erst seit Kurzem in aller Munde. Sage und schreibe 90 Städte haben laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) hierzulande ein massives Problem mit dem gefährlichen Gas. Es wäre also mehr als naheliegend gewesen, bei der AU künftig auch Stickoxide zu messen. „In der neuen AU-Richtlinie ist von NOX jedoch keine Rede. Sie ist nicht einmal in Erwägung gezogen. Und das, obwohl die europäische Abgasüberwachungsrichtlinie 2014/45 sehr wohl etwas zu NOX sagt“, klärt Harald Hahn, Vizepräsident des Verbands der Werkstattausrüster ASA, auf.

Folgen der Manipulationen

„In den letzten 20 Jahren wurden die Anforderungen für die Typgenehmigung im Bereich der Fahrzeugemissionen kontinuierlich verschärft. Die Luftqualität verbesserte sich jedoch vor allem im Hinblick auf Stickoxide und Feinstaub nicht in dem prognostizierten Maße. Um Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten, sollten Möglichkeiten einer Verbesserung der Prüfzyklen zur Simulation realer Betriebsbedingungen umfassend geprüft und Testmethoden für die Messung der NOX-Werte sowie Grenzwerte für den NOX-Ausstoß festgelegt werden“, stellte die EU erst kürzlich fest – im Hinblick auf Millionen manipulierter Euro-5- und -6-Diesel auch kein Wunder.

Und was machen die Deutschen? Offenbar mal wieder nicht ihre Hausaufgaben. Ein Grund dafür könnte sein: Während sich eine Partikelmessung wie bisher im Rahmen einer Abgasuntersuchung im Stand simulieren lässt, funktioniert die Messung von Stickoxiden nur unter Last. Und das würde heißen: entweder mittels Rollenprüfstand oder im Zuge einer Probefahrt. Während das eine richtig Geld kostet und ergo rund 40.000 HU-Prüfstützpunkt-Betreibern nicht zuzumuten ist, ist das andere in der Praxis nicht darstellbar. So suchen diverse Beteiligte fieberhaft nach einer Alternative. „Deshalb hat das Umweltbundesamt eine Studie initiiert, die bis Anfang 2019 läuft. Bei ihr steht die Praktikabilität und Effizienz einer NOX-Messung bei Euro-6-Fahrzeugen im Vordergrund“, berichtet ASA-Mann Hahn.
Auch Messgenauigkeitsverschärfung

Mit 12,1 Millionen AUs hat das Kfz-Gewerbe im vergangenen Jahr circa 60 Prozent aller Abgasuntersuchungen durchgeführt. Von aktuell knapp 38.000 Kfz-Betrieben verfügen mehr als 36.000 über eine AU-Berechtigung – warum wohl? In den Anfangsjahren verkauften sich Vergaser- und Zündungseinstellungen oder Dieselsystemspülungen und der eine oder andere Zusatzölwechsel mal eben im Vorbeigehen. Und auch die elektronische AU hatte ihren Charme – stimmt’s? 30 Euro Lohn für zehn Sekunden Arbeit. Dass hier einige Außenstehende von Abzocke sprachen, ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Klar hatte das Kfz-Gewerbe das zweistufige Verfahren nicht zu verantworten. Stillschweigend über bald ein Jahrzehnt hinweg mitgenommen hat das schnell verdiente Geld aber jeder – natürlich auch die Überwachungsorganisationen.

Jetzt zu jammern und die kommenden Investitionen zu beklagen, ist nicht gerecht, gleichwohl sich in absehbarer Zeit durchaus ein finanzielles Minenfeld auftut. Den Anfang macht die Tatsache, dass mit der Grenzwertverschärfung auch eine Messgenauigkeitsverschärfung einhergeht. Einige Opazimeter und einige wenige Viergastester, die nicht der Genauigkeitsklasse „0“ entsprechen, dürfen dann nur noch für AUs an Fahrzeugen bis Euro 5/V genutzt werden. Als Konsequenz müssen einige alte Geräte ersetzt werden.

Kommentar: Die Überwacher lechzen

„Gerade die anerkannten Werkstätten sollten doch froh über die Erweiterung der AU sein. Die Endrohrmessung sichert das Bestehen der AU für Werkstätten. Was glauben diese, wie lange sie die AU überhaupt noch gemacht hätten? Das Auslesen der OBD ist mit dem HU-Adapter ohne weiteren Aufwand möglich und würde von den Überwachern liebend gerne mitgemacht. Dann wäre die AU für Werkstätten futsch. Und wer meint, dass sich die Durchführung der AU nicht lohnt, der kann seine Anerkennung doch abgeben. Es zwingt ihn doch keiner, die Investitionen für AU bzw. Prüfstützpunkt zu tätigen. Es gibt noch genügend Prüfstellen der Überwacher. Dann entfallen die Kosten für SEP, Bremsenprüfstand und AU-Geräte.“

Jürgen Hanke, Ausbildungsleiter Kfz-Innung Herne

Der nächste mögliche Angriff aufs Betriebsportemonnaie könnte ebenfalls 2019 folgen: Analog Bremsprüfstand und Scheinwerferprüfplatz müssen auch AU-Tester ab dann kalibriert werden. Doch eine Eichung fällt deshalb nicht flach: „Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass es nicht zu ‚Doppelprüfungen‘ kommt. Aktuell scheint es so, als ob sich die regionalen Eichämter nun doch als Kalibrierlabore akkreditieren lassen wollen. Damit wäre eine Doppelprüfung vom Tisch“, weiß Hans-Walter Kaumanns vom ZDK zu berichten (siehe auch Interview S. 32).
DAkkS macht Probleme

Die nächste „Sprengfalle“ aus monetärer Sicht: Künftig sollen im Rahmen der HU – Stichwort Akkreditierung – keine „beigestellten“ Prüfungen mehr toleriert werden. Diese liegen vor, wenn eine Werkstatt die AU durchführt und nicht eine Prüforganisation. Die Konsequenz: AU-Betriebe werden voraussichtlich ab dem 1.1.2021 im Rahmen eines akkreditierten Systems arbeiten müssen. Welche Anforderungen sich daraus für sie, Kfz-Innungen/Landesverbände und den ZDK ergeben, ist noch offen. Im Moment ist der Verband dabei, eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung zu erarbeiten, zusammen mit der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS). Und last but not least steht 2021 (siehe Kasten S. 29) die Einführung des Partikelzählverfahrens ins Haus. Bei der Messung von Fahrzeugen vermutlich ab Euro 6/VI aufwärts benötigen Betriebe und Überwacher dann sowieso eine neue Messausrüstung.

Nun wird so mancher (wieder) argumentieren: „Diese doofe AU, immer muss man investieren.“ Doch dass vor dem Hintergrund von zweijährigen Inspektionsintervallen, einem wachsenden Ganzjahresreifenanteil und dem Thema Elektromobilität AU und HU ein wahres Geschenk im Sinne des Kundenkontakts sind, verdrängen offenbar genau diejenigen. Oder wie es Bundesinnungsmeister Wilhelm Hülsdonk kürzlich formulierte: „Dachdecker, Installateure und viele andere Gewerke wären froh, wenn ihnen der Staat regelmäßig Kunden in ihre Betriebe schicken würde.“


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Gerätselt wir derzeit darüber, wie man in kontaminierter Werkstattluft eine qualifizierte Partikelzählung durchführen kann.
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von terriblue »

Hallo Beda,

aus Sicht der Prüfenden und Geprüften fasse ich mal zusammen :

"oh,oh,oh - Das wird teuer"

Gruß Arno
Slow Underpowered Vehicle und ein ProjeGt
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von Hirvi »

Hallo Beda!

Wie, ihr habt noch keinen Reinraum in der Werkstatt?
Das wird alles noch richtig lustig und dem Peer gebe ich Recht bei der Betrachtung unserer Fokusse. (den Plural habe ich nachgeschlagen) :mrgreen:

Es grüßt

Volker
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von unbemerkt »

Hallo Beda,

hab einen Dank für den interessanten Text. Leider sehe ich solche bei Vogels ja nicht so einfach...

Was ist Dein Empfinden als Werkstattbetreiber, überwiegt die Kundenbindungsfreude oder graut es auch vor den schlimmen Zusatzinvestitionen?

Mein Bekannter rechnet momentan mit 25 T€ Investitionen in den nächsten 5 Jahren und dabei ist die Lichtteststrecke schon fertig.

Genau betrachtet bin ich froh, das diese OBD-AU-Auslesung wieder vom Tisch kommt. Schlimmere Augenwischerei gibt es ja wohl kaum.

Doch auch an dieser Stelle muß man wieder die fehlende Planungssicherheit ins Feld führen.

mit Grüßen von Kay
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von Beda »

Hallo Kay,
wir sind ja keine 30 mehr.
Das macht unsere Situation speziell.
Derzeit arbeiten wir mit einem Au-tester, der am Ende seiner Aufrüstbarkeit angekommen ist.
Mit Übergangsfristen dürfen wir so AUs bis Euro 5 einschließlich und das bis Jahresende durchführen.
Den Rest muß der Dekra-mann machen.
Grüße vom Galloperflüsterer ohne Galloper

Beda

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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von unbemerkt »

Hallo Beda,

Du sprichst mir aus der Seele - eine spezielle Situation.

Meine "Montagebauarbeiten" habe ich schon fast 10 Jahre eingestellt, in der Abteilung Bauarbeiten beende ich letzte Aufträge und mein erhoffter Nachfolger geht nun auf die "Walz". Auch mein Freund überlegt ob er das Geld für die Autowerkstattmodernisierung noch aufbringen soll, denn er hat keinen Nachfolger.

Vermutlich ist es Zeit die Stärken und Spezialisierung heraus zu kehren und an andere Stelle Kosten bewußt zu senken. So sehe ich beim Bekannten immer öfter Exoten wie alte Traktoren auftauchen und auch H-Kennzeichen sind keine Seltenheiten mehr.

Wie im Artikel beschrieben, wird sich in den nächsten Jahren ein finanzielles Minenfeld in Sachen Investitionen auftun und für einige Probleme sind die Lösungen ja noch nicht einmal angedacht. Auch hier wieder - keine Planungssicherheit.

Neulich surrte ich erstmals mit dem neuen Hybrid eines Bekannten übers Grundstück und musste dabei die ganze Zeit nur daran denken, wie viele Monate ich dafür schindern müsste. Beim ersten spontanen Ausflug in ein Wintersportgebiet enttäuschte das Fahrzeug übrigens mit mehreren Warnmeldungen von "eingefrorenen" Sicherheitssystemen wie der Notbremsfunktion - eine merkwürdige neue Welt....

An solchen Autos möchte ich aber definitiv nicht schrauben müssen.

mit Grüßen von Kay
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von Timo TA93 »

Moin,
unbemerkt hat geschrieben: An solchen Autos möchte ich aber definitiv nicht schrauben müssen.

mit Grüßen von Kay
Ist wohl eher nicht die Frage ob du schrauben willst, eher ob du das noch kannst. Bzw sich der damit verbundene Aufwand überhaupt lohnt.
Grüße
Timo TA93

Der immer für "Oberförster Pudlich" gehalten wird...
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Joe
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Re: Abgaskontrolle: AU Backe!

Beitrag von Joe »

Moin,

die möglichen Folgekosten sind auf alle Fälle nicht ohne, muss man doch selbst bei Karosseriearbeiten zur Fachwerkstatt. Diese muss vorher das Hybridsystem herunterfahren und anschließend darf man dann noch einmal dahin, um das System wieder hochfahren zu lassen. Ein Kollege färt einen Yarris Hybrid und hatte einen Seitenschaden. Im Gutachten waren diese Positionen mit aufgeführt. Sicherlich mit ein Grund, warum diese Kisten enorm hohe Typklassen bei den Versicherungen haben :wink:

Gruß Rolf
seit über 22 Jahren Galloper 2,5 TCI, SWB, EZ 06/2001 // Outlander 4x4, Automatik, Diesel, EZ 07/2018
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