Kfz-Steuer
Bund soll H-Privileg abschaffen
12.05.2023 Von Steffen Dominsky
Ohne fundierte Daten und auf Basis einer fragwürdigen Hypothese fordert der Bundesrechnungshof, das Steuerprivileg für Oldtimer mit historischer Zulassung „die im Alltag genutzt werden“ aus der besonderen Oldtimer-Besteuerung auszuschließen. Dabei zahlen viele Fahrzeughalter spätestens seit 2013 sowieso schon zu viel Kfz-Steuer.
Bei der nächsten HU das H-Kennzeichen ausgetragen bekommen? Ginge es nach dem Bundesrechnungshof, würde genau das passieren.
(Bild: Dekra)
Christian Lindner hat’s nicht leicht. Gerade steht der Herr Finanzminister gewaltig unter Druck – unter Unterdruck, um genau zu sein. Staubsaugergleich saugt an seinem Ministerium ein gewaltiges Vakuum, zieht die Milliarden von den Konten und aus den Töpfen, dass es kracht. Da sollte ein kleiner Tipp vom Bundesrechnungshof (BRH), wie Vater Staat künftig einen dreistelligen Millionenbetrag sparen kann, auf offene Ohren stoßen. Tut er aber nicht. Und das ist gut so und dürfte nicht nur daran liegen, dass der FDP-Mann selbst bekennender Oldtimerfan ist.
Unter der Überschrift „Immer mehr Oldtimer-Kennzeichen für Alltagsfahrzeuge: hoher Steuerverzicht und Schadstoffbelastung“ veröffentlichte der Bundesrechnungshof vor vier Wochen einen kurzen Text. In 139 Worten schilderte das aus Funk und Fernsehen bekannte Finanzkontrollorgan einen haltlosen Zustand. Nämlich den des hundertausendfachen Missbrauchs des H-Kennzeichens. Denn, Zitat BRH: „Mittlerweile gilt die Besteuerung auch für Fahrzeuge, die im Alltagsverkehr als normales Beförderungsmittel genutzt werden“, außerdem habe die Zahl der steuerlich begünstigten Oldtimer zuletzt auf 400.000 „rasant zugenommen“.
Bundesverrechnungshof?
Das ist interessant. Denn erstens hat der Gesetzgeber die Verwendung eines Fahrzeugs mit H-Zulassung in keiner Form eingeschränkt – das heißt, man darf mit seinem Oldie sehr wohl in den Urlaub oder auf die Arbeit fahren. Dennoch meint der BRH zu wissen, dass bei 400.000 Oldtimern Christian Lindners Ministerium Jahr für Jahr 170 Millionen Euro an Kfz-Steuer entgehen würden, schließlich sei der Bund bei der Einführung des H-Kennzeichens 1997 davon ausgegangen, dass nur rund 135.000 Oldtimerbesitzer solch ein Nummernschild bekommen wollen bzw. dürfen. Doch wie kommt der BRH auf die stolze Summe von 170 Millionen Euro Steuerverlust?
„Diese Zahl teilte das Bundesfinanzministerium dem Bundesrechnungshof auf Basis einer qualifizierten Schätzung durch die zuständige Generalzolldirektion mit“, erklärt der BRH auf Nachfrage von »kfz-betrieb«. Geht man davon aus, dass der BRH besagte 135.000 Fahrzeuge als rechtmäßige Oldtimer erachtet, ergibt sich zu genannten 400.000 eine Differenz von 235.000 Fahrzeugen. 170 Millionen geteilt durch diese Zahl ergibt 641,50 Euro pro Fahrzeug als Steuerverlust. Ausgehend davon, dass es sich mehrheitlich um Oldtimer-Pkw handelt und jeder davon dem Staat „nur“ 191,73 Euro einbringt, bedeuten 170 Millionen Verlust also eine Kfz-Steuer von stolzen 833,13 Euro pro Fahrzeug – so man von einem Benziner ausgeht (Euro 0 und 25,36 Euro pro 100 cm3). Damit hätte jeder unterstellte „nicht rechtmäßige Oldie“ einen 3,2-Liter-Motor unter der Haube. Eine Rechnung, die Fragen aufwirft.
„Missbrauchszahl“ – leider unbekannt
Andererseits muss man davon ausgehen, dass nicht jeder der genannten 400.000 H-Kennzeichen-Eigentümer seinen Wagen als Alltagsauto nutzt. Stellt sich die Frage, um die es eigentlich geht: Wie viele tun das? „Dazu konnte das Bundesfinanzministerium keine belastbaren Zahlen liefern“, so der Bundesrechnungshof gegenüber »kfz-betrieb«. Mit anderen Worten: Man jongliert hier mit einem dreistelligen Millionenbetrag, für den es keinerlei belastbare Grundlage gibt. Vermutlich ist das der Grund, weshalb Christian Linder und sein Ministerium auf die Forderung des Bundesrechnungshofs, „eine zügige Gesetzesinitiative zu initiieren, um Alltagsfahrzeuge aus der besonderen Oldtimer-Besteuerung auszuschließen“, nicht reagiert. Verständlich, schließlich müsste man erst mal wissen, wovon man spricht, bevor man „Gesprochenes“ verbietet – oder?
Was der BRH ebenfalls nicht in sein Kalkül gezogen hat, ist folgende Tatsache: Jeder, der einen Oldie mit einem H-Kennzeichen versehen möchte, muss was nachweisen? Richtig, ein Alltagsfahrzeug. Zugegeben ist dies keine amtliche Forderung, kein Bundesgesetz. Dennoch ist es faktische Realität, an der man nur schwer bis gar nicht vorbeikommt. Ergo dürfte die Zahl derer, die ihren H-Kennzeichen-Oldie regelmäßig oder gar ausschließlich als Alltagsauto einsetzen, erstaunlich klein sein. Und selbst diese kleine Zahl ließe sich „von Amtswegen“ ziemlich schnell reduzieren. Nämlich dann, wenn sich Sachverständige, allen voran der bekannten Prüfgesellschaften, bei der Vergabe des H-Kennzeichens an ihre Vorgaben hielten und nicht „jedes“ 30 Jahre alte Fahrzeug zum schützenswerten Kulturgut deklarieren würden – und/oder die Überprüfung des H-Status, die im Rahmen jeder HU fällig wird, „übersehen“ würden.
Viele zahlen zu viel Kfz-Steuer
Ach so, was die Damen und Herren des BRH bei ihrem Vorschlag zur Rettung bundesdeutscher Finanzen mit Blick aufs (alte) Automobil irgendwie ausgeblendet haben und wogegen sich besagte 170 Millionen jährlicher Steuerverlust“ wie viel zitierte Peanuts ausnehmen: 2009 führte der Bund eine neue, CO2-basierte Kfz-Steuer ein. Für die Zukunft hatte der Gesetzgeber geplant, die Millionen nach altem Recht versteuerten Wagen bis 2013 in die neue CO2-basierte Versteuerung zu überführen. Genau das hat er nie gemacht. Und nun raten Sie mal, weshalb! Richtig: Gerade bei den richtig alten Autos wäre die neue Steuer deutlich geringer gegenüber der alten Hubraumsteuer ausgefallen. Hier wären dem Bund nicht Millionen, sondern Milliarden an Euros pro Jahr durch die Lappen gegangen. Deshalb ließ er alles schön so, wie es war. Und so zahlt jeder Besitzer, der heute sein Fahrzeug auf „H“ zulässt, seit zehn Jahren zu viel Steuer.
Dasselbe gilt übrigens auch im Fall des sogenannten Wechselkennzeichens. Was in Österreich und der Schweiz prima funktioniert, ist bei uns ein Rohrkrepierer. Denn in Deutschland erhebt Vater Staat auf jedes mit besagtem Kennzeichen versehene Fahrzeug die volle Steuer – und nicht wie in den anderen Ländern auf das „größte“. Dabei darf man das bzw. die andere(n) Fahrzeug(e) weder auf öffentlichem Grund abstellen noch sie gleichzeitig nutzen. Apropos nutzen: Der Anteil der Ü-30-Fahrzeuge mit H-Kennzeichen schrumpft, den Euro-Schadstoffeinstufungen nachrückender Oldies sei Dank, sowieso. So trugen zum Stichtag 1. Januar 2022 nur noch 57,3 Prozent der Ü-30-Pkw ein „H“ im Nummernschild. Im Vorjahr waren es noch 59,4 Prozent. Wenn also jemand das nächste Mal über Steuergerechtigkeit sinniert, möge er sich im Fall Kfz, mit Blick auf alte Autos bzw. Oldtimer, doch bitte letztgenannte Tatsachen vergegenwärtigen – danke!
PS: Nicht geschätzte, sondern belastbare Zahlen und Fakten rund ums H-Kennzeichen bietet ein praktisches Fakten-Papier des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) zum kostenlosen Download.