Historische Reiseliteratur

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Rudolf

Historische Reiseliteratur

Beitrag von Rudolf »

Sven Hedin:
Transhimalaja Band I-III (Zentralasienreisen Anfang des 20. Jahrhunderts)

Ella Maillard:
Turkestan Solo (Abenteurliche Reise nach Zentralasien, 1932)
Auf abenteurlicher Fahrt (2 Frauen mit einen Ford nach Indien,1939)

Max Reisch:
Indien - lockende Ferne (Mit eine Puch 250 Motorrad von Wien-Indien,1933)
Auf nach Afrika (Tunesien/Libyen mit 19PS/680ccm Kleinbus, 1952)

Von obigen Autoren gibts eine große Anzahl weiterer historischer Bücher bzw. Neuauflagen.
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Matthias
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Beitrag von Matthias »

Danke, Rudolf!

Gr: M
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Sven
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Beitrag von Sven »

Moin,

dann möchte ich die Liste mal mit ein paar Büchern die ich gerne gelesen habe ergänzen:

Marco Polo:
Die Wunder der Welt

Sven Hedin:
Im Innersten Asiens
Der wandernde See

Oss Kröher:
Das Morgenland ist weit

---------------------------------------------------------------
Für 4x4-Nachahmung ungeeignet, aber lesenswert:

Nansen:
In Eis und Schnee

Amunsen:
Reise zum Pol

Schott:
Käptn Scotts letzte Fahrt

Shackleton:
Mit der Endurance ins ewige Eis, Die Antarktis-Expedition (1914 - 1917)

Darwin:
Reise eines Naturforschers

Früher gabs noch richtig schöne Reiseberichte, heute müssen es ja immer Kathastrophenberichte sein, damit jeamand Interesse zeigt.

Grüße
sven
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Matthias
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Beitrag von Matthias »

Ja, da gibt's einiges Schöne.

Nansen: In Nacht und Eis (das meintest Du wahrscheinlich, Sven?)
Nansen: Sibirien
Hedin: Von Pol zu Pol
von Middendorf: auf Schlitten, Boot und Rentierrücken
Seebohm: The Birds of Siberia
von Stackelberg: Geliebtes Sibirien (ganz wichtig!)
Die wundersamen Reisen des Caspar Schmalkalden nach West- und Ostindien 1642-1652

Grüße
Matti
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Beitrag von Sven »

Matthias hat geschrieben:Nansen: In Nacht und Eis (das meintest Du wahrscheinlich, Sven?)
ähm, ja, natürlich
Matthias hat geschrieben:Hedin: Von Pol zu Pol
also da fängts an kritisch zu werden. Und spätestens bei "Nach Osten" rollt es jedem die Fußnägel hoch ... leider sind die späten Werke von Hedin arg braun und in "von Pol zu Pol" wird der Heldenepos des arischen Forschers aufgebaut.

Interessant finde ich auch den Vergleich von Hedins "Im Innersten Asiens" zu Nansens "In Nach und Eis", beide berichten über Reisen in den Jahren um 1895. Jedoch könnte der Unterschied in den Charakteren kaum unterschiedlicher sein, Hedin der Draufgänger, Nansen der Umsichtige. Beide entkommen nur knapp, aber beim einen sind dann doch die Kameraden auf der Strecke geblieben. Auch ein Vergleich des späteren Lebens der beiden Reisenden ist sehr interessant, der eine wird später zum Nazi, der andere hat zu dem Zeitpunkt schon den Friedensnobelpreis bekommen und engagiert sich für den Völkerbund.

Grüße
sven
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Matthias
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Beitrag von Matthias »

Hi!

Da hast Du recht. Nansen ist eigentlich in jeder Beziehung ein Vorbild (geblieben). Und unabhängig.

Grüße
Matti
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Sven
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Beitrag von Sven »

Matthias hat geschrieben:Nansen ist eigentlich in jeder Beziehung ein Vorbild
Außer in Bezug auf die Ehe, das wiederum verbindet ihn mit Hedin - nichts als Pleiten mit den Frauen ...

Grüße
sven
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Matthias
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Beitrag von Matthias »

Hi!

Das wusste ich nicht. Vielleicht lag's daran: "Love truth more, and victory less." Hat er mal gesagt.

Grüße
Matti

Entschuldige Rudolf, daß wir in Deinem Thread so rumwerkeln.
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Beitrag von Sven »

Für die Afrika-Fans:

Mungo Park: Reisen ins Innerste Afrikas (sehr gut)

Heinrich Barth: die große Reise (etwas gewöhnungsbedürftig, der Typ war halt etwas schräg)

Humbold ist auch nicht schlecht.

Grüße
sven
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Volker

Beitrag von Volker »

Für Afrika hätte ich auch was anzubieten:

Nikolaus Benjamin Richter: Unvergessliche Sahara (2. Auflage 1952, Als Maler und Gelehrter durch unerforschte Wüste)

Volker
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Beda
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Beitrag von Beda »

ZEIT ONLINE hat geschrieben: 21/2008 S. 88 http://www.zeit.de/2008/21/A-Schwarzenbach

Schriftsteller
Dieses bittere Jungsein
Stille Zürcher Kindheitstage, wilde Berliner Nächte – und im Cabrio nach Kabul. Zum 100. Geburtstag der legendären Schweizer Autorin Annemarie Schwarzenbach ein Porträt


Von Alexis Schwarzenbach

Bevor ich mit fünfzehn zufällig auf ein Buch von Annemarie Schwarzenbach gestoßen bin, wusste ich nicht, dass die Schwester meines Großvaters Schriftstellerin war. Sie sei früh an den Folgen eines Fahrradunfalls gestorben, hieß es nur. Ich hatte keine Ahnung, dass sie 1939 in einem Ford Cabriolet von Genf bis nach Kabul gefahren war. Und dass sie lesbisch, drogensüchtig und, sehr zum Leidwesen ihrer hitlerbegeisterten Mutter, Antifaschistin gewesen ist, wusste ich damals erst recht nicht.

Bild

Heute, gut zwanzig Jahre später, kennt ihren Namen jeder, der sich für Europas Boheme im 20.Jahrhundert interessiert, für die Boheme der zwanziger, dreißiger Jahre, ihre Heimatlosigkeit und Weltsehnsucht. Annemarie Schwarzenbach war eine freie Frau, ein freier Geist, eine Freibeuterin auch. Die Erinnerung an sie, in der engen Nachkriegszeit gelöscht, entfaltete sich gegen Ende der achtziger Jahre neu. Inzwischen ist sie das, was man ein wenig hilflos ob all ihres posthumen Ruhms eine Kultfigur nennt.

Begonnen hatte dies stürmische Leben in einer Schneesturmnacht, am 23. Mai vor genau hundert Jahren in Zürich. Doch fern aller Unwetter wächst sie auf, wohlbehütet im Schoß einer reichen Familie, die mit Seide ihr Geld gemacht hat. Annemarie spielt lieber mit den Brüdern Soldat als mit der Schwester und ihren Puppen, sie nennt sich selbst Fritz oder Paul Otto und möchte General werden. General nämlich ist ihr Großvater Ulrich Wille, der Oberbefehlshaber der Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg.

Als Jugendliche spielt Annemarie ebenso leidenschaftlich Klavier, wie sie tanzt. Statt aber eine Karriere als Pianistin oder Tänzerin zu beginnen – Ausdruckstanz war damals die Avantgardekunst schlechthin –, studiert die Vielbegabte Geschichte in Zürich und in Paris, wo ein Porträt Stefan Georges über ihrem Schreibtisch hängt. Denn die junge Frau will Schriftstellerin werden. Eine Frau zu sehen heißt eine erste Novelle. Darin verliebt sich die junge Ich-Erzählerin in einem Grandhotel von St. Moritz in eine Frau, gerät in einen Zwiespalt der Gefühle und in große Konflikte mit ihrer Familie, steht aber schließlich, »allein und meiner eigenen Entscheidung überlassen«, zu sich selbst und ihrer Liebe.

Erika Mann droht den »Schweizerdamen« Prügel an

Ein mächtiger Schatten begleitet Annemarie Schwarzenbach: der Schatten der Mutter. Renée Schwarzenbach, geborene Wille, ist eine starke, strenge Frau, die sich bei der Kindererziehung von den Maximen der Pferdezucht leiten lässt. In Kultur und Politik legt sie für alles Deutsche eine grenzenlose Begeisterung an den Tag; ihre Mutter, die Frau des Generals Wille, ist eine Gräfin Bismarck. Renée Schwarzenbach liebt Wagner, und sie liebt Hitler – und zudem ganz irdisch, von ihrem Gatten geduldet, die Münchner Sopranistin Emmy Krüger. Was sie nicht davon abhält, rasend eifersüchtig auf Tochter Annemarie zu werden, als diese selbst beginnt, sich für Frauen zu interessieren. »Sie hat mich wie einen Buben erzogen und wie ein Wunderkind«, erinnerte sich Annemarie Schwarzenbach später. »Sie hat mich ja absichtlich allein gehalten, um mich bei ihr zu halten […]. Sie ist eine ebenso schlechte Pädagogin gewesen, wie sie sich für eine ausgezeichnete hielt – aber ich konnte ihr nie ausweichen, weil ich immer schwächer war als sie und mich doch wieder – weil ich argumentieren konnte – stärker fühlte als sie, das heisst im tieferen Recht fühlte. Und weil ich sie liebe.«

Im Herbst 1930 schreibt Annemarie Schwarzenbach einen Brief an Erika Mann. Die Journalistin, Schriftstellerin und Kabarettistin, Tochter Thomas Manns, ist zusammen mit ihrem Bruder Klaus fast ein Jahr lang um die Welt gereist, ihr gemeinsamer Bericht Rundherum liegt in allen Buchhandlungen. Wenig später fährt die junge Schweizerin nach München und verliebt sich Hals über Kopf in die neue Freundin. Aber wohl gerade weil Erika Mann nicht die ersehnte »Freundin-Geliebte« wird, bildet sie bis zuletzt einen Fixpunkt in Annemarie Schwarzenbachs Leben, den Gegenpol zur übermächtigen Mutter.

Das »Schweizerkind« wird von allen Bewohnern in Münchens Poschingerstraße 1 liebevoll aufgenommen; rasch betrachtet es die Manns als ihre »Adoptivfamilie«. »Als sie zum ersten Mal bei uns zu Mittag speiste«, schreibt Klaus Mann in seiner Autobiografie über Annemaries erste Begegnung mit Thomas Mann, »sah der Zauberer sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Wohlgefallen von der Seite an, um schließlich festzustellen: ›Merkwürdig, wenn Sie ein Junge wären, dann müssten Sie doch als ungewöhnlich hübsch gelten.‹« Acht Jahre später notiert sich Thomas Mann über die vom Morphium gezeichnete Freundin seiner Kinder: »Zu Tische Annemarie Schwarzenbach, verödeter Engel.«

Im Frühling 1931 schließt die 23-Jährige ihr Studium mit einer Dissertation zur Geschichte des Oberengadins ab und publiziert wenige Wochen später ihren ersten Roman, Freunde um Bernhard. Der als Porträt einer Generation angelegte Text wird ein Erfolg und bestärkt die Autorin, sich im Herbst 1931 als freie Schriftstellerin im »großen und dreckbespritzten Berlin« niederzulassen. Sie wohnt in Charlottenburg, fährt schnelle Autos und stürzt sich ins Nachtleben der Hauptstadt. »Sie lebte gefährlich. Sie trank zu viel. Sie ging nie vor Sonnenaufgang schlafen«, erinnert sich eine Freundin.

Annemarie Schwarzenbach wird Stammgast in Lesbenkneipen und Transvestitenklubs. Frauen wie Männer verlieben sich in ihre androgyne Schönheit. Die amerikanische Schriftstellerin Carson McCullers, die sie 1940 in New York kennenlernt und die ihr den Roman Spiegelbild im goldnen Auge widmet, bekennt: »Sie hatte ein Gesicht, von dem ich wusste, dass es mich bis ans Ende meines Lebens verfolgen würde …« Der Berliner Fotografin Marianne Breslauer gelingt es wie keiner Zweiten, ihr zwischen den Geschlechtern oszillierendes Wesen festzuhalten. Es ist »mir noch lebhaft gegenwärtig«, schreibt sie in ihren Memoiren, »wie mich bei ihrem ersten Anblick schier der Schlag traf. Denn Annemarie war das schönste Lebewesen, dem ich je begegnet bin. Ich habe später auch Greta Garbo kennengelernt, deren Gesichtszüge vielleicht noch makelloser wirkten, aber Annemarie war ein Mensch, von dem man zunächst wirklich nicht wußte, ob sie Mann oder Frau war; wie der Erzengel Gabriel vor dem Paradiese stehend erschien sie mir.«

1933 ist alles vorbei. Die bedeutendste Epoche der Berliner Kultur geht mit einem Schlag zu Ende; die Berliner Boheme fliegt auseinander. Obwohl als Ausländerin von den Ereignissen nicht direkt betroffen, stellt sich Schwarzenbach vorbehaltlos auf die Seite ihrer verfolgten Freunde. »Die Äußerungen des dritten Reichs«, schreibt sie an Klaus Mann im April 1933 aus Deutschland, seien »abstoßend und […] menschenunwürdig und allen Begriffen von Kultur tief zuwider.« Für die Schweizerin ist klar: »Ein halbwegs geistig orientierter Mensch, dazu ein Europäer, gehört natürlich in die Opposition.« Denn: »Beteiligt sind wir alle. Sich abwenden ist eigentlich so gut wie Selbstaufgabe und Selbstmord.«

Annemarie Schwarzenbach hat die Idee zur Gründung einer Exilzeitschrift, aus der Die Sammlung hervorgeht, die Klaus Mann in Amsterdam herausgibt. Ihre Hilfe für die Emigranten führt zu schweren Konflikten mit dem nazigläubigen Elternhaus. Auf Druck des Vaters sieht sie von einer redaktionellen Mitarbeit an der Sammlung ab; im Herbst 1933 bricht sie zu einer mehrmonatigen Reise durch den Nahen Osten und nach Persien auf. Kaum zurück, fährt sie erneut los, wieder in Richtung Orient.

Ist es Flucht? Will sie dem großen Streit, dem Bruch mit der Familie ausweichen? Die Manns, inzwischen in die Schweiz geflohen, legen es so aus. Nachdem Erika Mann die Mutter ihrer Freundin schon 1933 eine »stramme Nationalsozialistin« genannt und ihretwegen die Einführung der »Prügelstrafe für Schweizerdamen« gefordert hat, entlädt sich der Konflikt zwischen den beiden Familien ein Jahr später, als Annemarie Schwarzenbach zum zweiten Mal durch Persien reist. Schweizerische Faschisten attackieren Erika Manns Kabarett Pfeffermühle in Zürich – angestiftet von Renée Schwarzenbach, wie die Angegriffene ihrem Vater glaubhaft versichert. »Nach Erikas Überzeugung«, schreibt Thomas Mann am 12. November 1934 in sein Tagebuch, »steht im Hintergrund die alte Schwarzenbach, ihre Hysterie und ihr kapitalistischer Angsthaß.«

Längst ist sie unheilbar zur Reisenden geworden

Dass Annemarie nach ihrer Rückkehr in die Schweiz der Mutter nur indirekt die Schuld an den Vorfällen gibt, lässt Erika Mann auf Distanz gehen. Just in diesem Moment entdecken die Eltern Schwarzenbach die Morphiumsucht der Tochter. Sie stellen sie vor die Wahl: entweder die Familie oder die Freunde. Sie schluckt eine Überdosis Veronal. »Anruf von E[rika]. aus Prag. Annemaries Selbstmordversuch«, notiert Klaus Mann erschüttert in seinem Tagebuch. »ICH DANKE GOTT, für sie, für E. und für mich, daß es so abgegangen ist. Was für eine jammervolle Verwirrung! Die Schuld der Eltern. Das Übermaß der seelisch-geistigen Komplikationen. Die Entwöhnung. – Dieses ›bittere Jungsein – –‹«

Der Abschied, die Flucht aus dem Leben misslingt. Doch Annemarie Schwarzenbach ist längst »unheilbar« zur Reisenden geworden. »Reisen«, so hält sie in einem 1936 auf Mallorca entstandenen Text fest, »ist Aufbrechen ohne Ziel, nur mit flüchtigem Blick umfängt man ein Dorf und ein Tal, und was man am meisten liebt, liebt man schon mit dem Schmerz des Abschieds.«

Viermal reist sie nach Persien, viermal in die Vereinigten Staaten, mehrfach durch ganz Europa und 1939 in Begleitung der Genfer Ethnologin Ella Maillart im eigenen Wagen von der Schweiz bis nach Afghanistan. In weniger als zehn Jahren veröffentlicht Annemarie Schwarzenbach fast dreihundert Reportagen aus vier Kontinenten. Zu Beginn ihrer letzten großen Reise, die sie 1941 in einem alten Chrysler auf einer rund zweitausend Kilometer langen Fahrt durch Afrika vom nordwestkongolesischen Molanda bis an die ostafrikanische Seenplatte führt, findet sie für ihre innerste Motivation eigentümliche Worte: »Ich freute mich überhaupt auf nichts, und es war doch meine Arbeit, das Innere der Länder kennenzulernen und sie aufrichtig zu lieben, um sie für andere Menschen beschreiben zu können.«

Die Folgen des Münchner Abkommens erlebt sie in Prag

Diese »Arbeit« zählt zu den beeindruckendsten Seiten ihres Werkes. Zusammen mit fast fünftausend Fotografien ergibt sich ein Weltpanorama von faszinierender Vielfalt und Qualität. Ihre ersten Berichte veröffentlicht sie noch in einer Reihe mit dem Titel Was nicht im Baedeker steht. Doch in dem neckischen Titel verrät sich ernste Absicht: Alle ihre Texte sind geprägt von der intensiven Suche nach der anderen Seite, nach der Wahrheit hinter der Wirklichkeit.

Lieber, als Ankara zu bewundern, Atatürks Retortenstadt, besichtigt Annemarie Schwarzenbach den Friedhof eines anatolischen Dorfs. Statt die obligaten Reportagen über New York oder Hollywood abzuliefern, erkundet sie die Schattenseiten amerikanischer Industriestädte oder fotografiert einen Schrottplatz in Athens, Tennessee. In Afrika dokumentiert sie das erbärmliche Leben kongolesischer Minenarbeiter, im Irak porträtiert sie die Hamals von Bagdad, kurdische Lastenträger, die »keine andere Kleidung [haben] als ein kurzes Hemd und einen zerrissenen Kittel«.

Und während sich im September 1938 die ganze Welt über das Münchner Abkommen freut (»Peace for our time«), berichtet Annemarie Schwarzenbach von jenen »Sudetendeutschen«, denen nicht zum Jubeln zumute ist. Zum Beispiel ein Arbeiter aus Schwaderbach an der Grenze zu Sachsen: »Er ist am 22. September mit einem Flüchtlingstransport in Prag eingetroffen, und erfährt erst hier, dass die Regierung am Tag zuvor […] in die Abtrennung der deutschen Grenzgebiete eingewilligt hat. Verdüstert sitzt er am Bahnhof, man hat sein zerschossenes Bein verbunden – was wird weiter aus ihm werden? ›Nacht für Nacht haben wir unser Dorf gegen die [faschistischen] Henlein-Leute verteidigt, die immer wieder über die Grenze zurückkamen. Das Dorf ist unsere Heimat so wie die ihrige. Aber inzwischen verkauft man sie hinter unserem Rücken…‹«

Auch in der Ferne begleitet sie die Sehnsucht nach den Bergen. Das Hochtal von Bamian in Afghanistan, 1939 noch von den monumentalen Buddhastatuen dominiert, begeistert sie genauso wie das persische Lahrtal am Fuß des Demawend, wohin sie 1935 vor der Teheraner Sommerhitze flieht. Hier spielen zwei ihrer wichtigsten literarischen Werke, der 1936 abgeschlossene, aber erst posthum erschienene Roman Tod in Persien sowie die 1939 veröffentlichte Zweitfassung Das glückliche Tal. Es ist die Geschichte einer Liebe – zu einer jungen Türkin –, es ist die Geschichte ihrer Drogensucht. Und es ist die Geschichte des Kampfes um das eigene Schreiben. Tod in Persien endet mit den Worten: »Ich stand auf, beugte mich über den Klapptisch, fand einen Bleistift, und ein paar Bogen Schreibpapier. Ich fühlte mich, als sei ich stark betrunken, und kam bis zum Bett zurück und liess das Papier auf der Decke liegen. Ich lag sehr ruhig und hielt meine Schläfen mit den Händen fest. Als das Fieber nachliess, begann ich zu weinen, und weinte so lange, bis ich glaubte, mein Kopf sei nun ganz leer geworden …«

Immer wieder kehrt Annemarie Schwarzenbach in die Schweiz zurück, immer wieder versucht sie sich hier, in teuren Privatkliniken, vom Morphium zu befreien. In Sils im Oberengadin mietet sie 1935 ein Haus; es soll zum Hafen für sie und ihre Freunde werden.

Auch nach dem strapaziösen Jahr in Afrika kehrt Annemarie Schwarzenbach 1942 hierher zurück, verbringt den Sommer zusammen mit Therese Giehse und arbeitet einen im Kongo entstandenen Roman in ein Prosagedicht um. An Klaus Mann, der damals kurz vor dem Eintritt in die amerikanische Armee steht, schreibt sie am 2. September, sie sehne sich nach einem Wiedersehen, »bevor wir grau und weiss sind oder verändert«, und fügt an: »Ja, es ist seltsam und äusserst angenehm, wieder in Sils zu sein, an demselben Tisch in derselben guten Stube, umgeben von den noch immer zauberhaften Bergen und der glänzenden Sommerlandschaft und der freundlichen Atmosphäre des Dorfes.«

Vier Tage später stürzt Annemarie Schwarzenbach von ihrem Fahrrad, zieht sich schwere Kopfverletzungen zu und fällt in ein dreitägiges Koma. Danach wird die stark verwirrte Patientin in eine Klinik nach Prangins am Genfer See gebracht. Dort arbeitet eine Ärztin, in die sich Annemarie Schwarzenbach bei einem früheren Aufenthalt verliebt hat und der sie nach wie vor vertraut. Fatalerweise stellt der Klinikleiter, der Psychiater Oscar Forel, die Fehldiagnose eines schizophrenen Schubs, woraufhin die Patientin wochenlang mit Elektroschocks und Insulinkuren gequält wird. Von der Mutter »aus dem höllischen Prangins« befreit, hat die in ihrem Innersten erschütterte Schriftstellerin keinen größeren Wunsch, als zurückzukehren in die Berge. Am 15. November 1942 stirbt Annemarie Schwarzenbach, 34 Jahre alt, in Sils.

Nach dem Tod der Tochter vernichtet die Mutter deren Tagebücher

Obwohl in allen Schweizer Zeitungen Nachrufe erscheinen, gerät sie rasch in Vergessenheit. In krasser Missachtung des Testaments vernichtet die Mutter sämtliche an ihre Tochter gerichtete Korrespondenz sowie alle ihre Tagebücher. Außerdem hält sie Freundinnen wie Ella Maillart dazu an, den Namen Annemaries in ihren Erinnerungen hinter Pseudonymen zu verbergen. Der literarische und fotografische Nachlass indes geht unversehrt in den Besitz einer Freundin über, die diesen 1980 der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern schenkt.

Sieben Jahre später stoßen drei Schweizer Publizisten die Neuausgabe ihrer Werke an. Es entstehen Filme und Bücher, ihr Name wird über die Grenzen des deutschsprachigen Raums hinaus bekannt. Inzwischen sind ihre Texte vielfach übersetzt, seit Kurzem gibt es sie auch auf Farsi, der Sprache ihres Schicksalslands Iran.

»Was man mir auch von Persien gesagt hatte«, schreibt sie im Frühling 1934, »dies doch nicht: dass es nach Anatolien und Irak, nach den vielen fremden Erfahrungen, ein Land der Heimkehr ist: Gebirge und Hochebenen, Bergbäche, vom schmelzenden Schnee gespeist, fliessen rasch zwischen Felsen abwärts, unten liegen breite Täler, sie sind noch mit Schnee bedeckt, aber da und dort bricht der Boden auf, die Bäche fliessen zwischen niederen Ufern, Brücken schwingen sich von Dorf zu Dorf, die Weiden wiegen sich im leichten Bergwind«

»Land der Heimkehr« – vielleicht war dies ihr eigentliches Ziel, das Lebensziel der Unruhigen, süchtig Suchenden. Heimzukehren, reisend heimzukehren in die Fremde, in die Freiheit.

Der Autor ist Historiker und lebt in Zürich. Die von ihm kuratierte Ausstellung »Annemarie Schwarzenbach. Eine Frau zu sehen« wird noch bis zum 1. Juni im Museum Strauhof in Zürich gezeigt. Weitere Stationen: Literaturhaus Berlin, 13. Juni bis 3. August; Literaturhaus München, 23. September bis 23. November. Der prachtvolle Begleitband – Alexis Schwarzenbach: »Auf der Schwelle des Fremden. Das Leben der Annemarie Schwarzenbach« – ist in der Collection Rolf Heyne erschienen (mit Hör-CD »Eine Frau zu sehen«; 420 S., Abb., 58,– €)
Zum Thema

DIE ZEIT /2008: Neues aus der Literatur
Rezensionen, Debatten und Porträts aus dem Bereich der Bücher
http://www.zeit.de/literatur/index

DIE ZEIT 16/1996: Du bist am Ende. Kehre um
Annemarie Schwarzenbachs Werk in der Gesamtausgabe.
http://www.zeit.de/1996/16/Du_bist_am_Ende_Kehre_um
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Ulrike
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Re: Historische Reiseliteratur

Beitrag von Ulrike »

Hallo und schöne Weihnachtstage,

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ich habe mir gerade den fotographischen Nachlass von Annamaria Schwarzenbach angeschaut...

Vor einem Jahr gab es sogar eine Ausstellung in Bern - leider verpasst!

Schaut mal hier: https://commons.wikimedia.org/wiki/Cate ... warzenbach

Viele Grüße
Ulrike
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Tinie
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Re: Historische Reiseliteratur

Beitrag von Tinie »

Moin,

...mal wieder einen alten Thread zum Leben erwecken. :grin:

Ich habe gerade dieses Reise-Tagebuch von 1990 wieder in den Händen. :mrgreen:
Interessant, wie sich die Zeit verändert hat.
Jugoslawien wird noch erwähnt, schwarz/weiß Bilder und die Art des Reisens - mit einem 90'er Defender und Dachzelt.
Das werde ich mir bei Gelegenheit noch einmal in Ruhe durchlesen. :coffee:

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Liebe Grüße.
Ilka
Land Rover Discovery 1 200 Tdi EZ:09/1993 ---> 270.000 km und weiter geht die wilde Fahrt :fahren:
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