Zulassungspflicht für Blei

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Beda
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Zulassungspflicht für Blei

Beitrag von Beda »

Morgen zusammen,
da braut sich was zusammen:
Gefahr für historische Fahrzeuge
EU-Chemikalienagentur ECHA will Zulassungspflicht für Blei einführen
20.04.2022Von Peter Diehl

Setzt sich die europäische Chemikalienagentur ECHA mit ihrem Vorhaben durch, für Blei eine Zulassungspflicht einzuführen, würde das das gesamte Kfz-Gewerbe und dessen Lieferanten beeinträchtigen. Hauptsächlich betroffen wären allerdings auf historische Fahrzeuge spezialisierte Betriebe. Noch sind Einsprüche möglich – doch die Frist endet bereits am 2. Mai 2022.

Mehrere Vorschriften schränken die Nutzung bestimmter Werkstoffe und Materialien im Kfz-Handwerk ein. In den meisten Fällen existieren jedoch Ausnahmen, welche die handwerklich und historisch korrekte Bearbeitung von Oldtimerfahrzeugen ermöglichen. Bislang gilt das auch für Blei.

Fixiert ist diese Ausnahme in der EU-Altfahrzeugrichtlinie und in deren Umsetzung in deutsches Recht, der Altfahrzeugverordnung. Von Bedeutung ist hier der einleitende Text von Anhang II der Richtlinie. Er enthält eine generelle Ausnahme für Ersatzteile – als solche gelten auch Reparaturmaterialien –, die für Fahrzeuge bestimmt sind, die vor dem 1. Juli 2003 in Verkehr gebracht wurden.

Damit hebelt dieser Text sowohl Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie aus als auch Paragraph 8 Absatz 2 der Verordnung. Beide verbieten seit dem 1. Juli 2003 EU-weit Blei, Quecksilber, Cadmium und sechswertiges Chrom in Werkstoffen und Bauteilen von Fahrzeugen. Ausnahmen von dieser Ausnahme stellen lediglich Radwuchtgewichte, Kohlebürsten von E-Motoren und Bremsbeläge dar.

Bisherige Ausnahme gilt für alle bleihaltigen Lotwerkstoffe


Die in Anhang II formulierte Ausnahme gilt beispielsweise für alle bleihaltigen Lotwerkstoffe, egal ob diese zur Karosserieinstandsetzung, zur Kühlerreparatur oder zum Löten in der elektrischen Anlage verwendet werden. Speziell für bleihaltiges Lötzinn gibt es mit den Punkten 8a und 8b des Anhangs II zusätzlich zwei spezifisch formulierte Ausnahmen:

Punkt 8a betrifft Lot auf Leiterplatten, beispielsweise in Steuergeräten, in vor dem 1. Januar 2016 typgenehmigten Fahrzeugen

Punkt 8b betrifft Lot in Kabelbäumen und anderen Bauteilen der elektrischen Anlage in vor dem 1. Januar 2011 typgenehmigten Fahrzeugen

Schwierigkeiten drohen nun von anderer Seite, nämlich durch die EU-Chemikalienverordnung 1907/2006 REACH und die zuständige Europäische Chemikalienagentur ECHA. Die Verordnung regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (engl.: registration, evaluation, authorisation and restriction of chemicals, kurz REACH).

Das Problem: Kürzlich setzte die ECHA das Schwermetall Blei auf die Kandidatenliste besonders besorgniserregender Stoffe (substances of very high concern, SVHC). Was bedeutet, dass Blei künftig womöglich in das Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe aufgenommen wird und damit der Autorisierungspflicht von REACH unterliegt.

Von anderen dort verzeichneten Werkstoffen und Materialien, allen voran Chrom, ist bekannt, dass Autorisierungen für Herstellung, Bearbeitung und Lagerung in bestimmten Fällen zwar möglich, jedoch zeitlich und finanziell enorm aufwendig sind.

Dr. Malte Zimmer, Ressortleiter Umwelt- und Chemikalienpolitik beim Zentralverband Oberflächentechnik e. V. (ZVO), ordnet das Vorhaben der ECHA so ein: „Es beruht wie üblich allein auf Stoffeigenschaften – tatsächliche Risiken werden nicht betrachtet. Dank der Beweislastumkehr darf sich dann jedes Unternehmen für sich darum bemühen, die Experten der EU von der Notwendigkeit der Bleiverwendung und den realen Risiken zu überzeugen – nebst Gebühren, Kosten für Berater etc., etc.“

Die Folgen: Betroffen von einer Zulassungspflicht wären im Kfz-Handwerk neben den zuvor genannten Lotwerkstoffen beispielsweise auch Blei-Säure-Akkus, also konventionelle Starterbatterien. Insbesondere kleine Hersteller von äußerlich historisch wirkenden Starterbatterien mit Vergussmasse, Verschlussstopfen und außen liegenden Polbrücken würden angesichts der zeitlichen und finanziellen Belastungen sowie künftiger Unwägbarkeiten wohl aufgeben.

Kurzum: Durch die Verwendung bleihaltiger Werkstoffe und Materialien unter anderem bei Karosseriebau, Kühlerreparatur und Elektrik wären das gesamte Kfz-Gewerbe und seine Lieferanten von einer Zulassungspflicht beeinträchtigt – nicht nur auf historische Fahrzeuge spezialisierte Betriebe, doch diese besonders.

Im Bereich Elektrik existieren beispielhaft gleich drei handwerkliche Gründe, auf bleifreie Alternativmaterialien zu verzichten. Erstens: Das Arbeitstemperaturfenster bleifreier Materialien ist enger und liegt höher als bei bleihaltigen Materialien. In vielen Fällen bedeutet das Temperaturüberwachung, übrigens auch und besonders bei Karosseriereparaturen. Zweitens: Die optische Qualitätskontrolle wird erschwert, weil die typischerweise matte Oberfläche einer mit bleifreiem Lot erstellten Lötstelle nicht von einer fehlerhaften konventionellen Lötstelle (kalte Lötstelle) zu unterscheiden ist. Drittens: Bleifreie und bleihaltige Lote sind nicht kompatibel. Beim Reparaturlöten führt das zu Kontaktproblemen.

Auch andere Handwerke und Berufsgruppen wären betroffen

Der Blick über den Tellerrand offenbart, dass auch andere Handwerke und Berufsgruppen betroffen wären. Beispielsweise Gebäude- und Kunstrestauratoren, Stichwort Bleiglasfenster.

Was wäre nötig? Schlichtweg eine Ausnahmeregelung, denn die Zulassungspflicht im Ganzen wird nicht zu stoppen sein. Andere Vorschriften haben gezeigt, dass Ausnahmen für historische Fahrzeuge sehr wohl mach- und nachvollziehbar sind. Um das Spektrum von Altfahrzeugrichtlinie und -verordnung zu verlassen: Selbst die Lösemittelhaltige-Farben-und-Lack-Verordnung (ChemVOCFarbV) enthält in Paragraph 3 Absatz 3b eine solche Ausnahme zur „Restaurierung und Unterhaltung von […] Oldtimer-Fahrzeugen, die als historisch und kulturell besonders wertvoll eingestuft sind“. Diese Einschätzung trifft auf alle Oldtimer mit H-Kennzeichen oder entsprechend formuliertem Gutachten zu.

Was kann unmittelbar getan werden? Weil derzeit unklar ist, ob Lobbyisten, die es auch in der Oldtimerszene gibt, auf eine mögliche Ausnahmeregelung hinarbeiten, kann eine vom Verband der Restauratoren (VDR) stammende Idee hilfreich sein: Schreiben mit begründeten Einsprüchen an die zuständigen Behörden. Das ist einerseits die ECHA, andererseits das Generaldirektorat für Bildung und Kultur der Europäischen Union. Adressen:

European Chemicals Agency (ECHA), P.O. Box 400, FI-00121 Helsinki, Finnland

Mariya Gabriel, Directorate-General for Education and Culture, European Commission, 1049 Brussels

Insbesondere Verbände von Kfz-Branche und Oldtimerszene dürfen sich hierdurch angesprochen fühlen. Wichtig: Die Einspruchsfrist endet bereits am 2. Mai 2022.
https://www.kfz-betrieb.vogel.de/eu-che ... 937/?print
Grüße vom Galloperflüsterer ohne Galloper

Beda

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Re: Zulassungspflicht für Blei

Beitrag von Schlappohr »

Hallo Beda,
wird zunehmend schwer für die Freunde von Alteisen...
Herzliche Grüße
Florian
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